Deutsche Auslandsmessen: Nicht ohne meine Tochter

Wenn deutsche Messegesellschaften in der großen weiten Welt agieren, tun sie dies oft über eigene Firmen oder Beteiligungen. Dabei bestehen ganz unterschiedliche Konstellationen.

Mittelstürmer: Im Jahr „09” kaufte die NürnbergMesse ihre brasilianische Messetochter. (Photo: NürnbergMesse / Thomas Geiger)
Mittelstürmer: Im Jahr „09” kaufte die NürnbergMesse ihre brasilianische Messetochter. (Photo: NürnbergMesse / Thomas Geiger)

Nicht alles, was im Kalender einiger deutscher Messegesellschaften selbstbewusst als Auslandsveranstaltung bezeichnet wird, ist tatsächlich eine. Gerne werden auch die durchgeführten deutschen Gemeinschaftsauftritte als eine Art eigene Messe dargestellt – meist versehen mit einem Sternchen. Weiter unten steht dann das Kleingedruckte und es erfolgt die Erklärung, worum es sich tatsächlich handelt. Der Messeverband AUMA listet für dieses Jahr rund 315 „richtige“ deutsche Auslandsmessen auf, an denen deutsche Organisatoren maßgeblich beteiligt sind – wobei auch hier die Intensität der Beteiligung durchaus große Unterschiede aufweist. Zwei Drittel der Veranstaltungen finden in China, Russland, Indien der Türkei und den USA statt. Insgesamt decken AUMA- und FAMA-Mitglieder mit ihren Messen rund 35 Länder ab.

Wie bei der Umsetzung von Messeprojekten vorgegangen wird, hängt von der Branchensituation und vom jeweiligen Markt ab. Ein Beispiel liefert die in der Organisation von Auslandsmessen zurückhaltend agierende Messe Berlin. Für den Asienableger ihrer Messe Fruit Logistica hat sie Mitte des letzten Jahrzehnts ein Joint Venture gegründet: Global Produce Events. Daran sind die Berliner mit 70 Prozent beteiligt. Die restlichen Anteile besitzt Fruitnet, ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen, das innerhalb der Branche über Veranstaltungs-, Medien-, und Asienkompetenz verfügt. Dagegen agiert die Messe Berlin in Singapur bei der Ausrichtung der Tourismusmesse ITB Asia mit einer hundertprozentigen, gleichnamigen Tochtergesellschaft (www.messe-berlin.de).

Die Messe Berlin organisiert ihre Messe Asia Fruit Logistica über das Joint Venture Global Produce Events. (Photo: Messe Berlin / Global Produce Events)
Die Messe Berlin organisiert ihre Messe Asia Fruit Logistica über das Joint Venture Global Produce Events. (Photo: Messe Berlin / Global Produce Events)

In der Vergangenheit sind solche Tochterfirmen deutscher Messegesellschaften häufig selbst gegründet worden. Das war auch eine schüchterne Antwort darauf, dass die kommunalen Eigner in früheren Jahren dem Auslandsgeschäft recht skeptisch gegenüber standen – mit Messen in Fernost lässt sich im deutschen Wahlkampf eben nur bedingt punkten, so der Glaube. Längst ist das vorsichtige Agieren in der Ferne in eine offensivere Strategie umgeschlagen. Mittlerweile sind öffentliche deutsche Messegesellschaften des Öfteren mit dem Scheckbuch auf Reisen. Bereits Anfang des Jahrtausends erwarb die Messe Frankfurt die Messegesellschaft Epoc in Dubai, die seitdem als Tochter fungiert. Damit wagten sich Frankfurter auf neues Terrain, erwarben die Schutz- und Sicherheitsmesse Intersec. So erhielt die sogenannte „Brandnamestrategie“ eine ganz neue Facette. Die Messe Frankfurt ging damit erstmals mit einem Thema in fremde Märkte, das nicht daheim angesiedelt war. Mittlerweile führen die Frankfurter eine ganze Reihe von Sicherheitsmessen weltweit durch – und sie haben sich ihr Veranstaltungsprogramm durch weitere Käufe gestärkt (www.messefrankfurt.com).

Die NürnbergMesse hat sich ebenfalls mit einem Kauf den Zugang zu einem neuen Markt verschafft. Das war 2009: Seinerzeit kauften die Franken ihre heutige brasilianische Messetochter, deren Veranstaltungen zum heimischen Messeprogramm passten. Aus Nielsen Business Media wurde die NürnbergMesse Brasil. Anders war das Vorgehen in Indien, wo 2013 eine Tochter gegründet wurde. Dabei wurde die Messeverantwortliche der deutschen Außenhandelskammer als Geschäftsführerin eingesetzt – mit ihr hatten die Nürnberger bereits zuvor auf dem indischen Markt zusammengearbeitet (www.nuernbergmesse.de).

 
 
 
 

Milliardenumsätze durch Auslandsmessebeteiligungen

Fensterbau / Frontale India (Photo: NürnbergMesse)
Fensterbau / Frontale India (Photo: NürnbergMesse)

Das Auslandmesseprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums ermöglicht besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen, sich auf Gemeinschaftsständen zu günstigen Konditionen an Auslandsmessen zu beteiligen. Diese Beteiligungen im Rahmen des Auslandsmesseprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums sind ein wichtiger Eckpfeiler der deutschen Exportunterstützung. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Umfrage durch das Marktforschungsinstitut TNS Emnid, die der AUMA veröffentlicht hat. Befragt wurden Aussteller des Auslandsmesseprogramms in den Jahren 2012 und 2013. Rund 87 Prozent der teilnehmenden Unternehmen haben durch das Auslandsmesseprogramm ihren Export steigern oder sichern können. Kleine und mittelständische Unternehmen erzielten 2013 durch die Messebeteiligung im Bundesprogramm insgesamt 5,4 Milliarden Euro Exportumsatz. Die Studie zeigt außerdem, dass mitmachenden Firmen einen Exportanteil am Gesamtumsatz von 56 Prozent haben – eine deutlich höhere Quote, als sie von ausstellenden Unternehmen in Deutschland ohne Unterstützung durch das Auslandsmesseprogramm erzielt wird. Generell liegt der Anteil des Exportumsatzes deutscher Aussteller nach einer repräsentativen Befragung bei durchschnittlich 31 Prozent. Die Exportmärkte der befragten Aussteller sind weitgehend identisch mit den regionalen Schwerpunkten des Auslandsmesseprogramms. Zu einem großen Teil sehen die Teilnehmer ihre neuen Märkte in den BRIC-Staaten. Zur Erschließung dieser Märkte wollen 81 Prozent der Befragten das Marketinginstrument Messe nutzen. Und: 83 Prozent der teilnehmenden Firmen sind kleine oder mittelständische Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern. Im Durchschnitt beteiligt sich ein Aussteller an 2,25 Gemeinschaftsbeteiligungen pro Jahr (www.auma.de).

 
 

Autor: Peter Borstel

Dieser Artikel ist erschienen in TFI Heft 2/2015

 
 

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